06.08.2021 16:10

Abbilden

Da ich mein Handy, welches ich für die Wartung meiner Recorder benötige, im Taxi liegen gelassen habe, ist heute erzwungenermaßen nochmals Fototag im Spreepark. Die Bedingungen sind nicht ideal, es ist wolkig, die Lichtverhältnisse ändern sich von Minute zu Minute. Ich warte im Schatten von Bäumen, bis sich wieder eine Wolke vor die Sonne geschoben hat, damit mein Motiv relativ gleichmäßig ausgeleuchtet ist.

Ich arbeite heute vorwiegend beim ehemaligen Restaurant, dessen Dachträger aus einer Stangenstruktur konstruiert ist, die auf die komplexen Gebilde des amerikanischen Architekten und Ingenieurs Buckminster Fuller zurückgeht. Mich interessieren wiederum die Pflanzengemeinschaften am Rande des Gebäudes mehr: Die Begrenzung durch den Betonboden des Restaurants gibt den Pflanzen etwas Bühnenartiges, Inszeniertes.

Ich fände es spannend, diese Fotos groß ausgedruckt und auf Holzwänden aufgezogen in der Stahlstruktur dieses Restaurantskeletts auszustellen – als ein Moment der verdoppelten, umgebenden Vegetation, wo auf den ersten Blick nicht klar ist, was real und was abgebildet ist. Dies über einen Zeitraum von ein paar Monaten, in dem sich die Vegetation verändert, aber auch die Fotos – etwa indem sie ausbleichen und abblättern – als sich gegenseitig spiegelnde Vergänglichkeit, die im Park ja das vorherrschende Thema ist.

Nun wird die Zeit knapp und ich komme erst nächste Woche dazu, endlich die Recorder zu warten. Eigentlich wollte ich auch noch Blitzaufnahmen in der Nacht machen – dies ist leider aus Sicherheitsgründen untersagt, weil zu gefährlich bei all den Leuten, die alkoholisiert oder unter Drogen nachts in den Park einbrechen. Gestern ist uns eine junge Frau beim Bootshaus der Wildwasserbahn begegnet. Sie fragte uns, warum wir Leuchtwesten tragen: „Weil wir offiziell hier sind und du nicht“ war meine lapidare Antwort. „Bitte nicht verraten“, bat sie und verschwand um die nächste Kurve.

Die Frage ist, inwiefern der Spreepark ein Modell für die Kohabitation von Pflanzen, Menschen und Tieren ist oder sein kann. „Main driving factor“ ist ja eigentlich der Zufall, was bedeutet, dass es gar kein aktives menschliches Zutun braucht. Ein möglicher Mehrwert hier bezüglich Bedeutung/Wertschätzung von Gemeinschaften mit den nichtmenschlichen Stadtbewohnern kann über die Artifizialität der Kunst zustande kommen, etwa durch das Schaffen von Artefakten, die die möglichen Erscheinungsformen neuer Gemeinschaften aufzeigen. Klang ist hier zumindest für mich das optimale Medium, weil das Zusammenleben – alles in Raum und Zeit Existierende und Interagierende – kurz, das Hörbare – in einer Aufnahme drin ist und man über das Hören auf Zusammenhänge stößt.