08.06.2021 9:58

08.06.2021 Terrapolis

Seit meinem ersten und letzten Besuch im Spreepark sind einige Monate vergangen – wegen der Corona-Pandemie konnte ich nicht nach Deutschland reisen und habe, zumindest was die Führung dieses Journals betrifft, den ganzen Winter und das Frühjahr verpasst. Martin Schütz, zuständig für die Umweltbildung im Spreepark, hat in der Zwischenzeit die Recorder, Wildkameras gewartet und mir die SD-Karten mit den Aufnahmen geschickt. So konnte ich zumindest aus der Ferne über die Audioaufnahmen und Bilder der Wildkameras mitverfolgen, was im Winter und Frühling im Spreepark vor sich gegangen ist – etwa wann Schnee fiel oder welche Tiere wo unterwegs waren.

Nun bin ich mit Ken, meinem Arbeitskollegen in vielen Projekten, nach einer anstrengenden Autofahrt hier angekommen, im Auto mein Doepfer-Modularsystem, welches ich für das Konzert am 12. Juni in der Ausstellung Co-Habitation im Silent Green brauchen werde. Geplant ist eine vierstündige Performance mit den Umweltaufnahmen aus dem Spreepark:

Spreepark Soundscape
Ein klanglicher Multispezies-Bau von Marcus Maeder

In seiner Sound-Performance im Silent Green entwickelt und entfaltet Marcus Maeder ein musikalisches Ökosystem des Spreeparks. Field Recordings vom Gelände treten in Interaktion mit elektronischen Klängen, die von den aufgezeichneten Umweltgeräuschen und Wetterdaten angeregt und gesteuert werden – die Performance dauert mehrere Stunden und ist frei zugänglich, sie kann jederzeit betreten und verlassen werden. Maeder versteht sein musikalisches Ökosystem Spreepark als einen klanglichen Multispezies-Bau, in den man eintauchen kann und sich über die künstlerische Umsetzung mit der Soundscape des Parkperimeters auseinandersetzt.

Während der Vorbereitung der Performance in Zürich habe ich einige Stunden der Aufnahmen aus dem Spreepark abgehört. Die Soundscape strukturiert sich ganz anders als an den Orten, wo ich bisher aufgenommen habe: Urbane, industrielle Geräusche umgeben wie eine Hintergrundkulisse die Geräusche der Wildnis des Parks. Das Betonwerk auf der anderen Seite der Spree  – die Lastschiffe, die, wenn sie beim Werk anlegen, langgezogene, tiefe Töne erzeugen, wenn sie dem Pier entlang schleifen. Helikopter, Sirenen von Rettungsfahrzeugen bilden einen Umgebungsklangfluss, in dem sich das Leben der grünen Insel des Parks abspielt: Vögel, schimpfende Waschbären, Insekten; Käuze in der Nacht.

Dadurch, dass man in der Performance alle Standorte im Spreepark gleichzeitig hört, entsteht eine dichte, räumliche Klangstruktur, die die Hörer/innen umgibt und sie sofort eintauchen lässt, wenn sie den Raum zwischen den vier in der Ausstellung aufgestellten Lautsprechern betreten. Dabei muss ich achtgeben, dass die Musik, die ich dazu spielen werde, nicht zu dominant wird. Denn die Soundscape des Spreeparks ist trotz aller Dichtheit sehr fragil und die Details offenbaren sich erst bei genauem Hinhören.

Haraway, D. J. (2013). When species meet (Vol. 3). University of Minnesota Press.

Während meiner Vorbereitungsarbeiten in Zürich habe ich einige Stunden der Feldaufnahmen im Atelier abgehört – eine ganz andere Soundscape als an den Orten, an denen ich in meinen anderen Projekten aufnehme: Urbane, industrielle Geräusche mischen sich mit der Wildnis des Spreeparks. Das Betonwerk auf der anderen Seite der Spree, die Schiffe, die dort anlegen, Helikopter, Sirenen von Rettungsfahrzeugen bilden die urbane Klangkulisse, vor/in der sich das Leben in der grünen Insel des Plänterwalds abspielt: Vögel, schimpfende Waschbären, Insekten, Wind, der in den Pappeln rauscht – Käuze in der Nacht.

Wenn Frachtschiffe beim Betonwerk anlegen, dann schleifen sie manchmal dem Quai entlang, was langgezogene Töne erzeugt – es passt sehr schön zur Musik und den Sonifikationen.

Nun da die Vegetation frisch und grün ist, richtet sich meine Aufmerksamkeit auf die Pflanzenwelt. Auch hier im Park finden sich die sich in allen zentraleuropäischen urbanen Landschaft ausbreitenden Neophyten: Neben der heimischen Flussvegetation wie Erlen, Weiden, Pappeln finde ich japanischen Knöterich, Götterbäume, Robinien, die im angrenzenden Wald bereits einen dichten Unterwuchs bilden und zu warten scheinen, bis die großen Bäume an der Trockenheit zugrunde gehen.

Einiges hat sich im Spreepark bereits verändert: Das Riesenrad ist abgebaut und lagert säuberlich aufgestapelt auf einem umzäunten Platz. Überall sind Bau- und Erschließungsarbeiten im Gange. Es ist lärmig geworden.

Auch hier in Berlin ließ der viele Schnee im Winter einige Bäume umkippen; die großen Äste einer Pappel wurden vom Biber bereits säuberlich entrindet. Dieser hat auch beim Teich der Schwanenbahn frische Spuren hinterlassen – ein paar kleinere Bäume hat er gefällt, sogar Nadelbäume. Ob ihm das viele Harz wohl geschmeckt hat? Katja sagt, dass er jeweils nur auf Besuch ins Parkgelände kommt. Da die Kanäle und anderen künstlichen Gewässer nicht fließen, zieht er jeweils weiter und baut keine Dämme.

Beim See der Wildwasserbahn finde ich die Überreste eines Fuchses – der Fels ist freigelegt, das Robiniendickicht um ihn herum scheint kürzlich gerodet worden zu sein. Überhaupt wurde an einigen Orten die Vegetation gestutzt. An der Spitze der Halbinsel mussten zudem Altlasten weggegraben und entsorgt werden – der Perimeter war ja nicht immer grün, wie die auffällig bunten Bodenschichten bei der Aushubstelle zeigen.

Ich werde diese Woche noch ein paar punktuelle Aufnahmen mit dem neu entwickelten Recorder von Elekon machen – in den Gewässern und im Boden. Material, welches ich in der Performance am Samstag verwenden will.